Itamar Ben-Gvir

Israel Bidens Drohung löst heftige Reaktionen aus

Stand: 09.05.2024 14:54 Uhr

Die Reaktionen auf US-Präsident Bidens Drohung, im Fall eines Vorrückens auf Rafah weniger Waffen an Israel zu liefern, kommen aus allen politischen Lagern. Doch deren Schlussfolgerungen sind sehr unterschiedlich.

Die Töne aus dem Interview, das US-Präsident Joe Biden dem Sender CNN gegeben hat, laufen in allen israelischen Medien. Biden lehnt ein weiteres Vorrücken der israelischen Armee in Rafah ab und hat Israels Premierminister Benjamin Netanyahu Konsequenzen angedroht.

Er habe Netanyahu und dem Kriegskabinett deutlich gesagt: "Sie bekommen unsere Unterstützung nicht, wenn sie dort angreifen", sagte Biden.

"Zivilisten sind getötet worden durch diese Bomben. Wir sorgen weiter dafür, dass Israel geschützt ist, durch die Raketenabwehr Iron Dome und ihre Fähigkeit, auf Angriffe zu reagieren. Aber das ist einfach nicht richtig: Wir werden die Waffen und Artilleriegranaten nicht liefern."

Nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen haben in anderen Teilen des Gazastreifens schwere Bomben, die auch von den USA geliefert worden waren, bereits für flächendeckende Zerstörung gesorgt.

Im Fall von Rafah, ganz im Süden, ist nun aber offenbar eine rote Linie überschritten. Auch weil dort schätzungsweise 1,2 bis 1,3 Millionen Menschen Schutz vor den Kampfhandlungen suchen.

"Niemand, auf den wir uns verlassen können"

Die Reaktionen in Israel fallen heftig aus: Ein Knesset-Abgeordneter aus Netanyahus Likud-Partei sprach von Doppelmoral der USA und Israels rechtsextremer Minister für Nationale Sicherheit, Itamar Ben-Gvir, twitterte nur: "Hamas", ein Herz und "Biden" - also "die Hamas liebt Biden".

Er sagte bei einer Veranstaltung der Polizei: "Unsere Freunde müssen wir umarmen, aber unsere Feinde müssen wir bekämpfen, ohne Kompromisse einzugehen. Der Sieg hängt nicht von dem einen oder anderen Staat, sondern nur von uns ab. Wir haben niemanden, auf den wir uns verlassen können, sondern nur uns und unsere Väter im Himmel."

Tatsächlich sind Israels Streitkräfte in hohem Maße abhängig von milliardenschweren Militärhilfen aus den USA.

Hamas feuert weiter auf Israel

Wie zur Bestätigung derer, die sagen, die Hamas müsse auch in Rafah mit Luftangriffen und Bodentruppen bekämpft werden, hatte die Terrororganisation in den letzten Tagen immer wieder Raketen aus Rafah abgefeuert, auch gestern Abend.

Israels Botschafter bei den Vereinten Nationen, Gilad Erdan, kritisierte deshalb die Drohungen des US-Präsidenten im Sender KAN: "Das ist eine sehr schwierige, enttäuschende und in gewisser Hinsicht sogar frustrierende Entscheidung, die wir von einem Präsidenten hören, dem wir seit Kriegsbeginn für seine Unterstützung dankbar sind."

Allerdings handele es sich nicht um Abwehrwaffen, sondern um Bomben, die für den Angriff vorgesehen seien. Letztendlich müsse Israel das tun, was es für die Sicherheit der Bürger als notwendig erachte.

Opposition fordert neue Regierung

Während Israels Staatspräsident Itzchak Herzog zur Mäßigung aufgerufen hat, nutzt die Opposition den Eklat zwischen Washington und Jerusalem zur Grundsatzkritik an der Regierung Netanyahu. Yair Lapid, bis Ende 2022 israelischer Premierminister, sagte, das Land brauche eine neue Führung und eine neue Ära, in der der Slogan "Gemeinsam werden wir siegen" auch bedeute "Gemeinsam bauen wir eine neue israelische Gesellschaft auf".

Die Regierung Netanyahu sei unfähig, irgendetwas zu führen: "Nicht die Beziehungen zu den Amerikanern, nicht den Krieg, nicht die Verhandlungen um ein Geiselabkommen und auch nicht die Wirtschaft. Wir sind im totalen Chaos, dem absoluten Kontrollverlust einer wahnsinnigen Regierung", sagte Lapid.

Diskutiert wird auch die Frage, ob die Ankündigungen aus Washington auch Einfluss auf Israels Kampf an anderen Fronten haben, zum Beispiel im Norden an der Grenze zum Libanon, von wo aus die islamistische Miliz Hisbollah immer wieder auf Israel feuert.

Klar scheint nur, dass die USA offenbar das Vertrauen in die Regierung Netanyahu verloren haben. Und dass das nun Folgen haben könnte.

Jan-Christoph Kitzler, ARD Tel Aviv, tagesschau, 09.05.2024 13:44 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 09. Mai 2024 um 15:00 Uhr.