Ein Polizist und eine Polizistin sitzen in einem Minibus der iranischen Polizei.

Druck auf Frauen und Protestbewegung Gefürchtete Polizeibusse zurück auf Irans Straßen

Stand: 30.04.2024 19:59 Uhr

Das Regime im Iran hatte die Protestbewegung von den Straßen vertrieben. Jetzt werden Kontrollen wieder härter. Das zeigt das Todesurteil gegen einen Rapper und das mögliche neue Kopftuchgesetz.

Das iranische Regime verschärft seinen Druck auf die Protestbewegung im Land. Das zeigt das Todesurteil gegen den iranischen Rapper Toomaj Salehi. Seine Musik ist düster und voller Wut. Er drückt damit das Gefühl vieler junger Iranerinnen und Iraner aus. Das weiß auch das Regime. Das greift er in seinen Songs ganz offen an, besingt sein Ende.

Das Todesurteil von vergangener Woche gegen ihn sehen Kritiker aber nicht nur als Strafe dafür. Es soll der jungen Protestbewegung das Signal geben: Wir schrecken auch nicht vor Euren Idolen zurück. Widerstand wird nicht geduldet. Auch nicht, wenn es darum geht, die Frauen wieder unter das Kopftuch zu zwingen.

Frauen sollen Tschador tragen

Der Oberste Führer Ayatollah Ali Khamenei erklärt Anfang des Monats: "Gemäß der islamischen Rechtsprechung und aus religiöser Sicht müssen Frauen ihren ganzen Körper bedecken, außer die Handflächen und das Gesicht." Sie dürften das nicht vernachlässigen.

Khamenei geht also noch weiter. Er will die Frauen unter den Tschador zwingen, das lange schwarze Tuch, das vom Kopf bis zum Boden reicht.

Gefährliche Kontrollen

Narges ist eine der Frauen, die nach dem Tod von Jina Mahsa Amini im September 2022 auf die Straße ging, natürlich ohne Kopftuch. Bis vor kurzem war die Mitte 30-Jährige in Teheran ohne unterwegs, zum Beispiel auf dem Weg zum Yoga. "Da haben sie mich aufgefordert, das Kopftuch aufzusetzen, mich verwarnt, weil ich ohne unterwegs war."

Früher sei es möglich gewesen, solchen Situationen zu entfliehen, indem sie solche Aufforderungen ignoriert habe. Sie sei dann einfach schnell weggegangen. "Dieses Mal hab ich die schweren Schritte hinter mir gehört", erzählt die junge Frau während sie in ihrem Büro sitzt

Sie hat blau-rot-lila gefärbte Haare. Das Fenster ist offen. Draußen zwitschern die Vögel. Aber die friedliche Atmosphäre trügt. Narges heißt eigentlich anders. Sie ist nervös, fühlt sich auch in ihrem Büro in Teheran nicht sicher, während sie weiter erzählt: "Plötzlich waren da vier oder fünf Polizisten und Polizistinnen. Da hab' ich mir schnell mein Tuch aufgesetzt."

Die Polizistinnen hätten eine schwarzen Tschador getragen und Fotos von ihr gemacht. Sie befahlen ihr, zu einem Minibus der Polizei zu gehen. Das wollte Narges auch schon fast machen. "Dann hab‘ ich’s mir aber anders überlegt und gefragt: 'Warum soll ich? Jetzt trage ich doch ein Kopftuch'."

Gefürchtete Minibusse

Ihren Mut zum Protest hat sie noch nicht ganz verloren. In diesem Fall zahlt es sich aus. Sie diskutiert noch kurz mit den Beamtinnen und Beamten. Die sagen Narges, sie solle bloß nicht mehr ohne Kopftuch rausgehen. Dann darf sie weitergehen.

In anderen Fällen drängt die Sittenpolizei Frauen in ihre Minibusse. Dieses gefürchtete Symbol für den Tod von Jina Mahsa Amini ist seit gut zwei Wochen zurück auf den Straßen im Iran. Eine neue Welle der Kopftuchkontrollen läuft. Das Menschenrechtsbüro der Vereinten Nationen in Genf berichtet, die iranische Polizei habe viele Frauen und Mädchen festgenommen.

"Das ist alles eine Tortur"

Im Café Farance in Teheran bedient das Personal auch Frauen ohne Kopftuch. Zumindest bis vor zehn Tagen. Stammgast Ali erzählt in einer versteckten Ecke, dass er dabei gewesen sei, als die Polizei das Café versiegelt habe: "Das war seit dem iranischen Neujahr im März hier im Café zwar das erste Mal. Aber im letzten Jahr war’s auch schon ein oder zwei Mal zu." Das Café gebe es seit mehr als 60 Jahren. "Hier stand Vida Movahed auf einem Stromkasten mit ihrem weißen Kopftuch an einen Stock gebunden. Das ist alles eine Tortur", erzählt Ali.

Das Bild der jungen Frau geht 2017 um die Welt, ihr stiller Protest. Heute  - sechseinhalb Jahre später - holen sich Frauen wieder mit Kopftuch ihren Kaffee im Farance. Lockere Kleidung, kein Kopftuch, das war über Monate noch ihr Protest im Alltag, nachdem das Regime den Aufstand auf der Straße mit Gewalt niedergeschlagen und und durch Hinrichtungen erstickt hatte. Aber auch das bisschen Freiheit wolle ihnen das Regime wegnehmen, sagen Kritiker. Es gehe darum, die junge Generation in ihre Schranken zu weisen, ihnen Angst beizubringen, sie zu brechen.

Neues Kopftuchgesetz: Härtere Strafen

Ein Instrument dabei, das neue Kopftuchgesetz. Nach langem Streit könnte es jetzt bald in Kraft treten. Dann drohen den Frauen noch härtere Strafen: Beispielsweise bis zu 15 Jahre Haft, tausende Euro Geldbuße, jahrelanges Berufsverbot für Promis.

Eine iranische Menschenrechtsorganisation berichtet von einer neuen Welle von Hinrichtungen, angeblich wegen Drogendelikten. Das Regime nutzt offenbar aus, dass sich die Welt aktuell auf den Krieg in Gaza und Irans Konflikt mit Israel konzentriert.

Der Rapper Toomaj Salehi singt davon, dass Haare im Wind im Iran ein Verbrechen sind. Sein Anwalt will gegen das Todesurteil vorgehen und so Salehis Leben retten.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk in der Sendung "Informationen am Morgen" am 30. April 2024 um 05:40 Uhr.