Hintergrund

Von der Theorie zur realen Bedrohung Was tun, wenn das Öl versiegt?

Stand: 30.05.2012 21:58 Uhr

Bis 2035 soll die Ölförderung um mehr als 50 Millionen Barrel pro Tag sinken - mit unabsehbaren Folgen. Experten befürchten neue politische und militärische Konflikte. Sie diskutieren auf einer Konferenz in Wien darüber, was man dagegen tun kann, wenn das Öl zur Neige geht.

Von Jürgen Döschner, WDR

Am 22. Mai 2002 trafen sich in der schwedischen Stadt Uppsala eine Handvoll Wissenschaftler, Politiker und Publizisten und gründeten die Association for the Study of Peak Oil and Gas, kurz ASPO. Ihr Ziel: Die Welt darauf aufmerksam machen, dass Öl und Gas schon bald nicht mehr in ausreichenden Mengen und zu niedrigen Preisen verfügbar sind.

Damals lag der Rohölpreis bei rund 20 Dollar pro Fass. Heute, zehn Jahre später, kostet ein Fass mehr als 100 Dollar. Für ASPO-Präsident Kjell Aleklett einer von vielen Belegen dafür, dass die Warnungen seiner Organisation berechtigt sind: "Als wir unsere Arbeit begannen, sagten Ökonomen, wenn unsere Berechnungen wirklich richtig wären, dann würden ja nicht Deutsche Bank, Weltbank und andere für 2020 einen Ölpreis von 25 Dollar pro Fass vorhersagen."

Jürgen Döschner, Jürgen Döschner, WDR, 30.05.2012 21:20 Uhr

Erdölförderung sinkt bis 2035 deutlich

Nicht zuletzt diese Verfünffachung des Ölpreises in nur zehn Jahren hat dazu geführt, dass die Mahner der ASPO inzwischen nicht mehr belächelt oder als Weltuntergangspropheten verunglimpft werden. Inzwischen teilen immer mehr Experten die Peak-Oil-Theorie, wonach irgendwann der Höhepunkt der globalen Ölförderung überschritten ist.

Und selbst über den möglichen Zeitpunkt dieses Peak Oil wird kaum noch grundsätzlich gestritten: "Wir befinden uns bereits auf diesem Höhepunkt. Zwischen 2005 und 2010 hatten wir jährlich eine unveränderte reale Ölförderung von 81,5 Mio Barrel pro Tag - mit Schwankungen von weniger als einem Prozent", so Aleklett weiter.

Bis 2035 schließlich, so Berechnungen der Internationalen Energieagentur, wird die konventionelle Ölförderung um mehr als 50 Millionen Barrel am Tag sinken. Ein Verlust, der durch Öl aus Teersand oder der Arktis kaum ersetzt werden kann.

Mögliche Konfliktherde überall auf der Welt

Anders als in früheren Jahren diskutieren die rund 250 in Wien versammelten Experten aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik denn auch nicht mehr darüber, ob oder wann der Peak Oil erreicht ist - sondern darüber, wie die Folgen zu beherrschen sind. Und dabei geht es längst nicht nur um die wirtschaftlichen Folgen.

"Wir müssen weg vom Öl - nicht nur aus ökologischen, sondern auch aus politischen und militärischen Gründen. Denn ich fürchte, dieses Endspiel des Öls, der Todeskampf des Öls wird extrem gewalttätig", sagt der US-Konfliktforscher Michael Klare in Wien.

Als Beispiele für aufziehende militärische Konflikte um das Öl nennt er nicht nur die Straße von Hormus, sondern auch die Arktis, das Chinesische Meer und die Region um das Kaspische Meer.

Experten bleiben unter sich

Die Herausforderungen und Gefahren durch die ausgehenden Ölreserven sind also gewaltig. Darin sind sich die in Wien versammelten Experten einig. Doch hat auch die Politik inzwischen das Problem erkannt?

"Nein", meint ASPO-Präsident Aleklett, "und ich glaube, sie wollen es auch gar nicht erkennen. Denn Politiker denken nur bis zur nächsten Wahl. Aber hier geht es um Entscheidungen, die die nächsten zehn oder 15 Jahre betreffen."

In Wien bleiben auch die Wissenschaftler und Experten bis auf wenige Ausnahmen unter sich. Es wird also vielleicht noch einmal zehn Jahre dauern, bis die Mahner der ASPO auch von der Politik endlich ernst genommen werden.